Lilith Elena Pranz

Lilith Elena Pranz

* 22.03.1992
† 11.01.2016
Erstellt von Natascha Pranz
Angelegt am 28.01.2016
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Kondolenzen (15)

Sie können das Kondolenzbuch nutzen, um den Angehörigen Ihr Beileid zu bekunden, Ihrer eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen oder um dem Verstorbenen einige letzte Worte des Abschieds mitzugeben.

Kondolenz

Erinnerungen

12.08.2019 um 03:46 Uhr von Anika

Liebe Lilith,

Ich musste daran denken, wie du mir mal gesagt hast, dass du den Kummer, den du so hast einfach nach ganz hinten in eine Schublade steckst und dann abschließt und weitermachst.  Neulich habe ich eine Filmsequenz mir angeschaut, die ich gedreht habe, wo du Maske gemacht hast. ich dachte früher immer, dass du älter bist als ich, weil du viel reifer und klüger warst als ich, obwohl du zwei Jahre jünger bist als ich. Außerdem habe ich ein Foto von dir gefunden, dass ich mal auf dem Schulhof von dir gemacht habe, da schaust du so verschmitzt in meine Kamera und scheinst zu fragen, was macht die Alte da? Ich fand dich schön und finde dich schön, innerlich und äußerlich. Neulich habe ich ein Lied von Vera Lynn gehört: 'We'll meet again, don't no where, don't know when. But i'm sure, we'll meet again, some sunny day!' Ich freue mich auf den Tag! 

Kondolenz

Das Jahr geht zu Ende

22.12.2016 um 15:06 Uhr von Natascha Pranz

Liebe Freunde,

 

dieses Jahr geht zu Ende. Ein Jahr, in dem für mich eine ganze Welt verschwand. Ein Jahr, in dem ich mich niemandem, außer meinem Schmerz, meiner Dunkelheit und einem Ozean aus Tränen und Trauer zuwenden konnte. Jetzt, im Moment bin ich wieder ein wenig aufgetaucht . Wahrscheinlich, weil ich mit Lilith kommuniziere. Weil sie mir zu verstehen gibt, wenn ich keine andere Richtung einschlage, wird mein Weg hier auch bald zu Ende sein, und ich merke, ich habe irgendwie noch eine Wahl. Ich will noch nicht gehen. Und wenn ich bleibe möchte ich ein ganz bestimmter Mensch sein. Ich will wirklich das Beste aus mir machen.

Ein Jahr voll Verzweiflung und auch Bitterkeit geht zu Ende. Ein Jahr in dem eine mir bekannte Welt verschwand, meine Welt in der es meine Tochter noch gab. In der es mich mit Lilith noch gab. Eine furchtbare Weile lang nahm ich nichts mehr wahr außer dieser zersplitterten Wirklichkeit, in der jeder Splitter sich kratzend und schneidend in mein Inneres vorarbeitete. Ich dachte, dass ich diesen Verlust nicht aushalten werde, nicht überleben kann.

Dann, im dichtesten Gestrüpp aus allen den vernichtenden Gedanken, die sich krakengleich um meinen Verstand wickelten, als mir gar nichts anderes mehr übrig blieb, als mich zu ergeben, empfand ich etwas, das sich absurderweise wie Heiterkeit anfühlte. Im Auge des Tornados ist es also nicht nur ruhig, es ist auch, ja, heiter. Vielleicht kommuniziere ich auch gar nicht mit Lilith, vielleicht rede ich mit mir selbst. Vielleicht rede ich mit Toten, vielleicht, und das erscheint mir derzeit am wahrscheinlichsten, gibt es gar keinen Tod. Es gibt nur die immer wieder neue Möglichkeit der Wahl. Weil, gäbe es den Tod, dann wäre ich doch jetzt eigentlich auch nicht mehr da. Und das, was da jetzt noch da ist von mir, entbehrt doch allem, was mir mal bekannt vorkam. Wäre nicht demnach die lebenslange Erneuerung auch ein Tod und ist dieser dann nicht mit offenen Armen und unglaublicher Freude zu begrüßen? In dem Moment als die mir bekannte Welt verschwand bin ich ihr ein Stück gefolgt. Es war dort dunkel und glitzernd und mir blieb die Luft weg. Ich wollte ertrinken und gleichzeitig alles in mir aufnehmen, und dieser Wunsch erfüllte mich so sehr, dass sich ein ganzes Universum voll einsamer, herumirrender Emotionen und Gedanken mit in mir niederließ. Manchmal scheinen diese Gefühle und Gedanken alle gleichzeitig präsent zu sein und hüpfen ungeduldig in meinem Kopf herum und ich habe wirklich viel damit zu tun sie alle zu bändigen. Sie sind entfesselte Energie und ich habe wirklich alle Hände voll sie zu ordnen. Dann werde ich müde. So sehr, dass ich mich in ein kühles Grab betten möchte. Aber ich möchte auch noch weitermachen. Alles in mir glitzert. Nicht hell, eher dunkel und scharfkantig. Und ich denke, es wäre doch eine Verschwendung mit diesem neuen Verstand, der mir vorkommt als wäre er ein riesiges Weltall, jetzt Schluss zu machen.

Was ich sagen will ist: Ich war sicher keine gute Freundin dieses Jahr. Schnell erschöpft. Immer noch steige ich mitten im Gespräch einfach aus. Schnell verletzt. Ich kann es kaum ertragen Normalität zu sehen. Ich bin neidisch, wenn ich glückliche Familien sehe, wenn ich mich aus alter Gewohnheit dazu in einen Vergleich setze. Schnell ungerecht. In meinen Gedanken.

Dann tauche ich wieder ab. Tauche durch die Tiefen meines Ozeans und akzeptiere dieses komische, schmerzerfüllte, fordernde Leben für mich, das meinen Verstand an alle seine Grenzen bringt. Ich bin noch da. Irgendwie. Ich schaffe es nur nicht die gängigen Medien zu benutzen um das zu zeigen. Ich schaffe es noch nicht die richtigen Worte zu finden in meiner neuen Welt. Und die alten Worte passen nicht mehr. Ich müsste eine andere Sprache erfinden, bin dazu aber gerade nicht in der Lage. Meine Sprache sind Bilder. Was ich euch sagen will ist, es macht mir etwas aus wie ihr zu mir steht, dass es euch überhaupt gibt und ich denke über euch nach. Seid nicht sauer, wenn ich nicht nachfrage wie es euch gerade geht. Ich könnte nicht ehrlich zuhören. Aber ich bin froh, euch ein kleines bisschen kennengelernt zu haben. Dass wir, in welchem Abschnitt dieses Lebens auch immer, mal aneinander gedockt sind.

In diesem Jahr ist meine Welt verschwunden und an der neuen bastel ich noch. Ich habe die Möglichkeit des Wählens noch nie so elementar empfunden wie jetzt. Konfrontiert mit den hässlichsten, beschämendsten Gedanken, die ein Mensch nur haben kann, und die Versuchung ist immer mal wieder da sie sich in meinem Leben einnisten zu lassen, nehme ich die Heiterkeit vom Grund meines verbrannten Ichs und streichel diesen scheußlichen Kreaturen über den Kopf. Wie gerne würden sie in meinen Händen zu Waffen. Sie bieten es mir an und, wie gesagt die Versuchung ist groß. Dann muss ich schnell abtauchen. Muss mein heiteres, bezauberndes Kind rufen und es fragen wie das mit dem Wählen noch mal war.

>Lass sie einfach<, sagt sie. >Lade sie zum Essen ein, du kochst doch so gerne und dann sag einfach, dass du dich für ein Leben ohne Hass und Bitterkeit entschieden hast.< Mein unglaubliches, kluges Kind. Mein Kind, das hier, für mich viel zu früh, schon fertig war.

In einer Ecke von mir wird wohl immer dieses Bedürfnis sitzen, Lilith hier in diesem Leben zu haben. Auch voll Stolz zu sagen wie toll sie geraten ist, wie schön und klug. Und, dass ich wohl irgendwas richtig gemacht haben muss. Aber ich begreife, dass meine Kinder dazu nicht da sind. Dass sie nicht dazu verpflichtet sind meine Bedürfnisse zu erfüllen, nicht mal den geringsten Wunsch, sie möchten doch bitte am Leben bleiben, erfüllen müssen. Dass sie nicht malmeine Kinder sind. Und, was ist schon richtig. Manchmal, für einen Moment verstehe ich das wirklich und dann stellt sich diese neue Form der Heiterkeit ein. Dann merke ich, so wird es sich irgendwann mal anfühlen frei zu sein.

 

Liebe Freunde. Jetzt gerade denke ich sehr an euch und wünsche euch wirklich alles, alles Gute zum ausklingenden Jahr.

 

 

Natascha

Kondolenz

Gedicht

29.04.2016 um 11:38 Uhr

Meine liebste Lilith. Heute ist wieder einer von diesen scheußlichen Tagen, an dem ich dich so furchtbar vermisse, dass ich es kaum aushalte. Ich würde dir gerne etwas schreiben aber wozu? Schreib ich doch nur für mich und weiß nicht ob es dich erreicht. Bin mir selbst zuviel, wohin mit meiner Trauer? Kreise doch nur wie eine Fliege am Fliegenfänger um meine eigene Trübseligkeit.

Das Gedicht von Mascha Kaleko drückt es aus. Ich schreibe es ab. Für dich, für mich.

 

Memento                                                     von Mascha Kaleko

Vor meinem eignen Tod ist mir nicht bang.

Nur vor dem Tode derer, die mir nah sind.

Wie soll ich leben, wenn sie nicht mehr da sind?

 

Allein im Nebel tast ich todentlang

Und lass mich willig in das Dunkel treiben.

Das Gehen schmerzt nicht halb so wie das Bleiben.

 

Der weiß es wohl, dem gleiches widerfuhr;

- Und die es trugen, mögen mir vergeben.

Bedenkt: den eigenen Tod, den stirbt man nur,

Doch mit dem Tod der andern muss man leben.

 

 

Heute ist kein guter Tag. Und ich habe meine Ansprüche an gut schon sehr heruntergeschraubt.

Kondolenz

Für immer 23

22.03.2016 um 21:37 Uhr von Natascha

Liebste Lilith,

ich rufe dich an, erzähle dir von einem völlig absurden Traum, den ich hatte. Es ist mir unangenehm dir diesen Scheißtraum zu erzählen, aber wir erzählen uns so viel, und so plappere ich einfach drauf los. Ich habe geträumt du lebtest nicht mehr. Hättest dein Leben beendet. Ein halbes Jahr ist im Schnelldurchlauf durch meinen Traum gejagt. Ein halbes Jahr voller Wahnsinn und surrealen Bildern. Ein Sommer, heiß und unwirklich. Mit Polizeieinsätzen und Psychiatrien. Mit Gewalt und Irrsinn. Alles durcheinander. Traumtypisch eben. Du bist bisschen entsetzt, als ich dir erzähle, dass ich geträumt habe wie du durch Berlin marodierst, alles zerstörst und dann zum Ende auch noch auf der Straße lebst. Dass du auf Strümpfen mit rasiertem Schädel und Einkaufswägen im Schlepp nach Unterstellmöglichkeiten für all die „Schätze“ suchst, die dir auf den Straßen Berlins zulaufen und dich von nichts trennen möchtest.  Wir lachen mit einem kleinen Kloß im Hals, weil mein Traum so realistisch rüberkam. „Nein Mutzki,“ sagst du, „ich habe zwar manchmal Zerstörungsphantasien, aber so dann nun doch nicht. Und meine Haare sind mir heilig, wie du weißt.“ Ich erzähle dir, dass du in meinem Traum Hausverbot in sämtlichen Berliner Clubs hattest, weil du Schlägereien angezettelt hast, dass du dich sogar mit Polizisten angelegt hast und Wohnungen zerstört hast wie ein Rockstar seine Hotelzimmer. Und dass ich immer wieder mit dir telefonierte und diese Entwicklung gar nicht so schnell fassen konnte. Du bist beeindruckt von dieser komischen Phantasie, sagst mir ich solle weniger Mist im Fernsehen kucken und mal ein ernstes Wörtchen mit Matthes reden, dass er sich von ein paar Dingen trennen soll, damit seine Sammelwut jetzt bei mir nicht solch komische Alpträume verursacht. Sagst mir das, was ich dir als Kind immer erzählte, wenn du einen Alptraum hattest. Dass das Gehirn sich aus den verschiedensten, über den Tag gesammelten Eindrücken zusammen mit dem Unterbewusstsein einen eigenen Film baut und man beim Aufwachen manchmal bass erstaunt über die Ergebnisse dieser Koproduktion ist.  Du versuchst mich zu beruhigen, als ich dir erzähle, dass der Traum in deine Beerdigung mündete, dass ich dich tot im Bett deiner kleinen Schwester fand und danach nur noch schrie. Und, dass dein Vater dir einen Grabstein gemacht hat und Matthes deine Urne. „Jetzt wird`s aber bizarr Mama! Ich würde ja wohl kaum nach Bettenhausen zurückkommen um mich dort auf den öden Friedhof zu legen. Nicht mal tot, also ehrlich!“ Jetzt bist du fast bisschen sauer. Es tut mir ja auch leid, dass ich das alles geträumt habe.

 

 

Mein lieber Schatz. Vor einem Jahr sagtest du zu mir: „Mama, 23 ist das schönste Alter! Ich fühle mich so gut, ich möchte für immer 23 sein!“

Kondolenz

Mein kleiner Schmetterling

16.02.2016 um 23:21 Uhr von Natascha Pranz

Mein kleiner Schmetterling

 

An dem Montag, an deinem Sterbetag, hatte ich spät am Abend eine kleine Vision. Nachdem ich dich gefunden hatte, in der kurzen Zeit bis zum Eintreffen deiner Geschwister, kam mir der quälende Gedanke > Wie sag ich es Elric, Elin und Robin. Werden sie Trost von mir verlangen, werden sie sich an mich hängen? < Ich war mir ganz sicher, dass ich keinen Trost würde spenden können. Ich hatte rasende Angst, dass sich der Rest der Familie an mich wenden würde, mit Fragen, die ich nicht beantworten kann, mit ihrem Schmerz, den ich nicht würde auffangen können. Ja, eine erste Reaktion war sogar Abwehr. Am liebsten hätte ich mich alleine draußen in die matschige Erde eigegraben. Mein Körper fühlte sich an wie rohes Fleisch, mein Geist völlig zerfleddert. Dich zu finden war wie ein Stromschlag, bei dem alles verbrennt, und alles an mir strebte danach sich im kühlenden Schlamm diesen Verbrennungen zu ergeben. Was soll ich sagen? Deine Geschwister beanspruchten mich nicht mehr als ich es ertragen konnte. Wie konnte ich so was Blödes auch nur annehmen. Sie waren unglaublich. Wie immer. Jedes auf seine eigene Weise. Sie wollten da sein, für mich, für dich. Haben in ihrer ganz eigenen Art dafür gesorgt, dass unser Planet nicht komplett aus der Umlaufbahn geschleudert wurde. Und dann hatte ich am Abend diese kleine Vision: Auf einmal warst du da. Du bist vor dem Fenster, um mich, um unser Haus, durch die Luft, durch die Welt, durch das Weltall und wieder zurück gesaust als kleiner, entfesselter Schmetterling und hast mir zugerufen: Wooaaahh, das ist so toll, das ist so unglaublich, wunderbar, befreiend und wirklich frei. Ich bin wirklich frei und kann alles tun! So fühlt sich die Freiheit an!“ Und du lachtest und freutest dich so wahnsinnig, und das war so ansteckend, und obwohl mir die Tränen aus den Augen schossen war ich angesteckt von dieser puren, entfesselten Freude. Als du einen Moment stillhieltest habe ich dich gefragt was ich Elin und Elric sagen soll. Ich habe dich auch gefragt wie du es wagen konntest mich so sehr zu erschrecken mit deinem Tod. Wir haben hier ja seit Jahren familienintern ein Ranking, wer den anderen am meisten erschrecken kann, und in der Regel konnte ich meinen Alters und Filmkenner-Bonus voll ausnutzen, und meistens habt ihr euch fast in die Hosen gemacht, weil ich im Erschrecken einfach so gut war. Du schautest ein wenig betrübt, aber nur kurz, und sagtest dann: “ Jou, jetzt lieg ich in unserem Spiel aber an der Spitze!“  Flatter, flatter, flatter. „Tut mir leid, so sehr wollte ich euch wirklich nicht erschrecken!“ Flatter, flatter.„ Es musste aber sein, sonst wäre ich ja nie aus meinem Körper rausgekommen!“ Du warst in deinem Geflatter so bezaubernd und unwiderstehlich, dass ich auf einmal alles verstanden habe. Und in genau dieser verzauberten Stimmung habe ich die Vision den Kindern weitergegeben. Sie war wie ein Geschenk, weil wir auch zusammen bisschen rummeckern konnten, dass du es diesmal aber nun echt übertrieben hast. Und auch lachen konnten und uns für dich gefreut haben, dass du nun so frei bist. Daran habe ich mich heute wieder erinnert. Es gibt demnach eine Herangehensweise an das Thema Tod, die auf dieser Ebene funktioniert. Vielleicht kann ich mich darin trainieren. Allerdings fühlt sie sich auch sehr schwerelos an und birgt die Gefahr, dass ich mich selbst für plemplem halte. Ich darf das also nicht übertreiben. Mein Körper ist noch nur bedingt für die Schwerelosigkeit geeignet und zugelassen. Ich werde dem aber nachgehen. Heute ist der erste Tag, an dem ich die Schmetterlingsgeschichte vom ersten Tag nach deinem Tod wieder erzählen kann. Ich liebe dich so sehr und im Moment lache ich auch ein bisschen über uns.

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