Marlie Ruppert

Marlie Ruppert

geb. Römmer
* 18.09.1938
† 06.08.2019 in Bad Vilbel
Erstellt von Redaktion Mittelhessen-gedenkt.de
Angelegt am 15.08.2019
3.163 Besuche

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Kondolenzen (1)

Sie können das Kondolenzbuch nutzen, um den Angehörigen Ihr Beileid zu bekunden, Ihrer eigenen Trauer Ausdruck zu verleihen oder um dem Verstorbenen einige letzte Worte des Abschieds mitzugeben.

Kondolenz

Wenn ich an dich denke

28.08.2019 um 08:18 Uhr von Eva

Ich habe diesen Brief bereits an Omas Grab vorgelesen, nachdem alle Trauergäste gegangen waren und möchte ihn auch hier verewigen, den ein oder anderen zum Lächeln bringen oder dazu ermuntern, selbst Erinnerungen niederzuschreiben.

Liebe Oma,

wenn ich an dich denke, denke ich an eine den Raum füllende Herzlichkeit, Wärme und Freundlichkeit, derer man sich einfach nicht verwehren konnte und ein Lachen, dass so durchdringend mitreißend war, dass es mir bis heute laut im Ohr erklingt, wenn ich daran denke.

 

Auch wenn ich selbst nicht dabei war, habe ich die Geschichte oft genug gehört, wie du in Spanien eines Abends dazu gedrängt hast in die Kneipe zu gehen, um herauszufinden wem denn das Motorrad mit dem Essener Kennzeichen gehört. Ich kann mir vorstellen, wie unmöglich es war deiner offenen, herzlichen und charmanten Art zu widerstehen und sich als Besitzer erkenntlich zu zeigen – eine Verkupplungsgeschichte der ich, wie wir alle wissen, meine Existenz verdanke. Schon alleine deswegen wirst du für mein Leben in dieser Weise immer eine ganz besondere Rolle einnehmen.

 

Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich mich immer wohl gefühlt habe in der Otto-Fricke-Straße. Du hast dich immer gefreut, wenn Besuch kam, warst aber auch nie böse, wenn alle genug mit sich selbst zu tun hatten – ich hatte das Gefühl, du hast die Menschen so angenommen, wie sie eben waren, ohne Groll, wenn ein Anruf oder Besuch mal länger zurück lag. Du hast nie jemandem ein schlechtes Gewissen gemacht und dich einfach so verhalten als wäre es gestern gewesen, dass man sich das letzte Mal gesehen oder gesprochen hatte. Meinem Empfinden nach warst du Menschen gegenüber immer sehr gutmütig, offen und optimistisch und hast etwas sehr wohlwollendes deinem Umfeld gegenüber ausgestrahlt.

 

Immer wenn ich morgens aufgewacht bin, wenn wir zu Besuch waren, war das erste was ich hörte, neben dem blubbernden Aquarium mit den hübschen Neonfischen, das Radio, welches von morgens bis abends Schlager spielte. Und der Geruch von Kaffee. Von Frühstück allgemein. Auch hörte ich eine fröhlich summende und freudig mitsingende Marlie, die mich immer mit funkelnden Augen und strahlendem Lächeln in den Tag begrüßte: „Na, alles klar?“. Wie man früh morgens schon so vor Energie und guter Laune sprühen konnte, war und ist für mich als Spätaufsteher bis heute beneidenswert. Für mich hatte diese Art des Aufstehen immer etwas unheimlich heimeliges und gemütliches an sich, sodass ich meine Müdigkeit meist vergaß.

 

Dein durchdringendes, markantes Lachen, ertönt mir wie ich schon sagte, bis heute im Ohr, obwohl es Jahre her ist, dass ich dieses Lachen das letzte mal gehört habe. Wenn du dich mitreißen gelassen hast, von Witzchen und Albernheiten, gab es dieses ganz bestimmte Lachen und dann kein Halten mehr – es begann mit einem Ausbruch, um dann wieder in sanften Tönen auszuklingen. So warst du auch ein Mensch. Du hast dich allzu gerne mitreißen lassen und warst einfach für jeden Spaß zu haben, warst dir für nichts zu fein und die klassische Art von Frau, von der ich mir vorstellen kann, dass man mit ihr „Pferde stehlen“ und die „Stadt unsicher“ machen kann. Wenn ich mir Bilder von dir ansehe, gibt es keines wo du nicht gut gelaunt bist, Bilder von früher, von Feierlichkeiten oder anderen Anlässen, wo du immer eine bewundernswerte Lebenslust, Leidenschaft und Lebensfreude ausgestrahlt hast. Ich habe allgemein das Gefühl, dass du immer wenn es möglich war, alles mit Lebensfreude getan hast.

 

Und wo wir gerade bei Stadt unsicher machen sind: Ich habe das Bild von Augen, wie du mit einer erheblichen Menge Lockenwickler neben mir sitzt, die jeden Abend akkurat und ordentlich ins Haar eingepflegt wurden. Als ich noch jünger war, nahm ich noch an, dass deine Haare von Natur aus so schön lockig waren, dass dahinter aber ein aufwändiges Prozedere (das sich aber gelohnt hat) steckte, erfuhr ich später. Wenn wir da waren und Mama das Lockenwickeln übernommen hat, hast du das königlich genossen! Manchmal mit einer Zeitung lesend oder Fernsehen guckend. Deine Haare und deine schönen Locken waren dir heilig, denn du mochtest es einfach dich gut zu kleiden und hübsch zu machen.

Manchmal habe ich im Badezimmer heimlich eins der vielen Döschen, Parfums, Lippenstifte, Kosmetika oder Cremes ausprobiert, denen du dich morgens und abends immer ausgiebig gewidmet hast, um so gepflegt, gut riechend, strahlend und schön zu sein, wie du warst.

 

Dazu passend erinnere ich mich an deine Vorliebe für die kleinen und schönen Dinge im Leben. Du wirktest auf mich deswegen aber nie wie ein maßloser Konsument oder materiell veranlagter Mensch, alles was du besessen hast, hast du geschätzt, gehegt und gepflegt. Ich denke an eine Wohnung in der es nirgendwo einen Millimeter gab, der nicht mit Figuren aller Art, einer Vase, Blumen, Kerzen, Bilderrahmen oder Ähnlichem von dir verschönert wurde.

Besonders beliebt waren dabei Fensterbänke, weswegen es für mich immer sehr abenteuerlich war, im Badezimmer das Fenster zu öffnen, wenn es mal nötig war frische Luft reinzulassen, weil ich jedes mal ein lautes Scheppern erwartete. Stattdessen blieb alles heil, dafür setzte ich mich aber einmal in eine deiner Stopfnadeln, mit der du dieses mal die Couch verschönert hattest. Du warst köstlich amüsiert und am Ende musste ich auch sehr darüber lachen!

 

Besonders gefreut habe ich mich bei unseren Besuchen auch immer darauf, Bella wieder zu sehen. Ich denke an deine Vernarrtheit in deine Pudeldame, die jeden Tag dankbar und jauchzend einen Apfel von dir bekommen hat und mit einem liebevollen „Bellaaaa“ gerufen wurde, um auf dem Bett neben dir gestreichelt zu werden. Ich habe mich immer gefreut, mit dir zusammen mit Bella Gassi zu gehen, wenn wir da waren – später dann auch mal alleine – denn ich war mindestens genauso vernarrt in die lockige Fellnase, wie du es warst.

Bis zu ihrem Ende, war Bella immer ein treuer Begleiter für dich und die Sanftheit, die Teil deines Naturells war, hat sich auch darin gezeigt, dass du Tieren gegenüber eine große Zuneigung entwickeln konntest und empfunden hast. Ich finde, dass das eine unheimlich tolle Eigenschaft ist, die zeigt, dass du jedes Leben gleich wertgeschätzt und mit demselben Respekt und der selben Liebe behandelt hast.

 

Oma, wenn ich an dich denke, denke ich auch an eine gefühlte Leichtigkeit und Unbekümmertheit, auch wenn du sicherlich nicht das leichteste und sorgenfreiste Leben hattest. Ich glaube jedoch, dass diese Unbekümmertheit und dein Frohmut dich durch dein Leben getragen hat, auch in schwierigen Zeiten – und davon gab es, mit 6 Kindern und später vielen Enkelkindern, mit einem kranken Ehemann, sicherlich genug.

Vielleicht war auch das der Grund, warum du nie zu jemandem nein sagen konntest, der deine Hilfe gebraucht hat. So hast du über die Jahre nie aufgehört deine Kinder zu unterstützen und dich irgendwann dann auch mit um deine Enkelkinder zu kümmern.

 

Du hattest und hast immer noch, eine große Familie, die sich an etlichen Sonntagen, Geburtstagen, Ostertagen, Muttertagen und zwischen durch bei dir versammelt hat. Ich erinnere mich dabei an eine Menge Kuchen und Kaffees, wovon du nie abgeneigt warst. Doch wenn der Zeitpunkt kam, wo dir deine große, wuselige, laute Familie nur noch auf den Wecker fiel, bist du einfach „wäschern“ gegangen. Ich kann mich an kein Familientreffen erinnern, wo du nicht plötzlich verschwunden warst. Und auch das war ein Teil von dir, du warst auch mal gerne für dich und mit dir alleine – im Garten Sonnen, spazieren gehen mit Bella, einen Kaffee trinken und die Zeitung lesen.

 

Wenn unser Besuch in der Otto-Fricke-Straße dann zu Ende ging, drücktest du mir zum Abschied jedes Mal heimlich einen kleinen Geldschein in die Hand, mit den Worten: „Hier. Kauf dir was schönes Mädchen“. Und das obwohl du selbst so hart dafür arbeiten gegangen bist. Doch du warst so genügsam und großzügig, dass du immer etwas übrig hattest, damit sich auch dein Enkelkind kleine, schöne Dinge kaufen konnte.

 

Wenn ich heute durch die Wohnung meiner Eltern blicke, erkenne ich auch da Tendenzen Fensterbänke mit vielen Blumentöpfen und Bilderrahmen zu bestücken. Ich kann mir keinen Tag ohne Kaffee und Teilchen oder Kuchen oder zumindest einen Keks vorstellen. Und neben dem Wohnzimmer, ist doch die Küche mit – natürlich einem laut laufenden Radio – ein Lieblingsplatz meiner Mutter. Croissants die Leibspeise. Eine ausgiebige Morgen- und Abendpflege tägliches Programm. Und wenn ich in mein Leben blicke, sehe ich eine genetische Vererbung von Kaffee und Kuchen-Sucht, auch ich schmücke meine Wohnung gerne mit schönen Dingen, die sie gemütlich und heimelig machen, ich liebe Tiere und ich gebe eher anderen etwas aus, als mir selbst etwas zu gönnen.

 

Mich machen diese Gedanken froh, denn ich weiß, dass auf diese Weise Eigenheiten und Vorlieben, die ich ganz stark mit dir Oma verbinde, nicht verloren gehen. Es sind die vielen kleinen Dinge, die die Erinnerung an dich lebendig halten werden und die weitergegeben werden.

 

In den letzten Jahren, in denen ich dich besucht habe, habe ich versucht daran anzuknüpfen. Ich habe dir die Hände massiert und dein Gesicht mit Creme versorgt, dir etwas vorgesungen, dir Kuchen angereicht, dir Foto-Kalender gebastelt oder Blumen mitgebracht. Immer wenn das Wetter es zugelassen hat bin ich mit dir in den Garten raus und wir haben einfach in der Sonne gesessen, an Kräutern gerochen oder haben uns den Garten angesehen.

Es spielte für mich nie eine Rolle, ob du mich "Sylvi" nanntest oder irgendwann nur noch spürtest, dass da jemand ist, aber nicht wusstest wer.

 

Ich empfinde tiefe Dankbarkeit und größte Anerkennung und Respekt für alle die Menschen, die dir in den letzten Jahren die bestmögliche Unterstützung, Zeit, Aufmerksamkeit, Geduld, Verständnis und Zuneigung entgegengebracht haben.

 

Während der letzten Tage, die du unter uns verbracht hast, durfte ich die Wertschätzung und Liebe beobachten, die dir entgegengebracht wurde. Von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Henry und Emma Budge Heims, die dich über all die Jahre, die du dort gelebt hast ins Herz geschlossen und auf deinem Weg begleitet haben.

 

Vor allem aber von den anwesenden Angehörigen, die den Raum um dich mit Liebe gefüllt haben. Die nicht von deiner Seite gewichen sind und alles getan haben, um es dir leichter zu machen. Die alles getan haben, damit du in Würde gehen kannst. Die Geschichten aus deinem Leben erzählt haben, miteinander gelacht haben, getrauert und geweint und die Nächte durchgemacht haben oder durchgefahren sind, bis zur total Erschöpfung. Die dich trotz all dieser unendlich intensiven Emotionen und Eindrücke, die einen für immer begleiten werden, bis zum letzten Tag nicht allein gelassen haben.

 

Wie besonders das war und ist, dass du auf dieser Weise im intimsten Familienkreis gehen durftest, nicht in einem Krankenhaus oder Ähnlichem, wird den Anwesenden nach und nach bewusst werden. Ich bin dankbar, dass auch ich Teil dieses engsten Kreises sein und dich begleiten durfte.

 

 

Liebe Oma, ich wünsche dir aus tiefstem Herzen, dass du den Frieden gefunden hast, den du verdient hast und den ich dir schon seit Jahren gewünscht habe. Ich werde dich, dein Lachen, die Wärme und den Frohmut, den du ausgestrahlt hast, vermissen.

 

In Liebe

Deine Enkelin Eva