Über den Trauerfall (2)
Hier finden Sie ganz besondere Erinnerungen an Willy Mörler, wie z.B. Bilder von schönen Momenten, die Trauerrede oder die Lebensgeschichte.
Er war der letzte Burg-Mörler ...
15.04.2016 um 17:06 Uhr von FrankMit Willy Mörler verstarb ein Bad Nauheimer Altstadtoriginal
Wer unter den älteren Badestädtern am Burgplatz noch die Gaststätte „Zur Burg“ kannte, der wird wissen, worum es geht. Seit 1905 in Familienhand, übergaben die jeweiligen Burgwirte, oder auch die „Burg-Mörler“ genannt, die Führung der Gaststätte mit angeschlossener Metzgerei von Generation zu Generation jeweils an den nächsten Spross. So auch 1959, als der junge Willy Mörler als gelernter Bäcker und Konditor von seiner „Walz“ durch die Küchen der großen Hotels und Nobelherbergen wie Frankfurter Hof in Frankfurt, Hilberts Parkhotel in Bad Nauheim, Duisburger Hof in Duisburg, Feldberger Hof im Schwarzwald, Hotel Europäischer Hof in Baden-Baden, Parkhotel in Düsseldorf oder dem Hotel Graf Zeppelin in Stuttgart nach Bad Nauheim zurück kam, um, von seinem Vater Hartmann Mörler sehnlichst erwünscht, die Leitung der heimischen Gastwirtschaft zu übernehmen.
Das hieß damals noch Mittagstische anbieten für die vielen Bad Nauheimer Handwerker, für die städtischen Bediensteten und das ein oder andere Mal auch für die Leute von der Freiwilligen Feuerwehr, die seinerzeit noch direkt am Burgplatz die Feuerwache besetzten. Selbstverständlich wurde seinerzeit auch noch selbst gekocht, Convenience war ein Fremdwort, und die ganze Familie stand mit in der Küche: als Chef Willy Mörler selbst, sein Vater Hartmann, die Tante Lisbeth (auch Deta genannt), die Mutter Jula und sonstige Bedienstete. Und dass es bei derart viel Familienaufkommen auch manchmal zu unterschiedlichen Herangehensweisen kam, die man heute neudeutsch mit „Kompetenzüberschneidungen“ bezeichnen würde, verstand sich aus der Natur der Sache.
Üblich waren damals die lokalen „Feiertage“, die zu damaliger Zeit noch ganz anders wahrgenommen und begangen wurden als heutzutage: Da war vor allem die Nauh’mer Kerb, zu der es mit Freibier und Schlachtfest ganz besonders hoch herging, einschließlich der Figur des „Kerbeborschs“ aus Stroh und alten Kleidern, der während der Kerb außen am Lokal aufgehängt war und am letzten Tag feierlich auf dem Burgplatz verbrannt wurde – natürlich nur unter den wachsamen Augen der vor Ort ansässigen Feuerwehr! Ehrensache daher, dass Willy Mörler als Gastwirt auch Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr mit der Mitglieds-Nr. 1165 war.
Und dann die fünfte Jahreszeit, die Fassenacht! Damals war es in den Alt-Nauheimer Gaststätten noch Brauch, Fassnachts-, Masken- oder Kostümbälle abzuhalten. Da ging es in den vielen Lokalen auch außerhalb der Hiesbach-Hochburg im Sportheim hoch her! Und klar war auch, dass der Wirt für die Animation seiner Gäste jeweils selbst zuständig war, also musste Mörler auch hier seinen Mann stehen und neben Speisen auch den Absatz von Bieren und Schnäpsen fördern, was ihm zuweilen den Spitznamen Doornkaat-Willy eintrug!
Da der Schornstein aber auch außerhalb der Kerb oder Fassenacht rauchen musste, galt es kontinuierlich, sich die örtlichen Vereine als Kundschaft zu sichern, weshalb so manche Vereinsmitgliedschaft in Betracht gezogen wurde. Ob man dann wirklich aus der Witwe Bolteschen Leidenschaft am Federvieh dem Geflügelzuchtverein beitrat, oder sich aus innerer Passion zum Operngesang beim Männergesangverein einschrieb, mag dahin gestellt bleiben, einer häufigeren Frequentierung der Gasträume mit einhergehendem Getränke- oder gar Speisenkonsum war es durchaus zuträglich. Lediglich der Verein der Köche Bad Nauheims war Willy durchaus schon immer eine Herzensangelegenheit, war er doch Berufskollege!
Schließlich entschloss sich Willy, auf Freiersfüßen zu gehen, konnte er doch beim feierabendlichen Besuch eines anderen gastronomischen Etablissements entdecken, dass die Weiblichkeit in der Regie eines Tanzlokals in der Terrassenstraße nicht nur „Bella Figura“, sondern auch stattliche Umsätze mit Getränken machte. Nach einer dauernden Wettbewerbsbeobachtung und eingehender Prüfung der gastronomischen Fähigkeiten der Damen von der Konkurrenz wurde a) eine kontinuierliche Verlagerung der eigenen Einnahmen in die Umsätze des fremden Lokals festgestellt und b) eine Expansion des elterlichen Gastronomiebetriebes durch Anstrebung eines potenziellen Familienzuwachses in Erwägung gezogen. Kurzum: Man besprach sich mit der Attraktiveren der beiden Inhaberinnen und vertraute ihr die einseitig überlegte und quasi beschlossene Familienerweiterung an, indem man ihr auf der Hollywoodschaukel des Terrassen-Cafés einen Heiratsantrag machte. Dieser wurde jedoch nicht unverhandelt akzeptiert, sondern nur unter der bedingenden Auflage, dies mit dem Wunsch nach insgesamt drei gemeinsamen Kindern annehmen zu wollen. Es ist nicht genau überliefert, wie lange die Verhandlungen insgesamt andauerten, jedoch bereits beim ersten Besuch der Auserkorenen im künftigen Familienbetrieb wurde sie auf das Zuvorkommendste vom Seniorchef hofiert. Nachdem er seine Metzgerschürze kokett zu einem Dreieck hochband, lud er sich auf seine umwerfend galante Art an den Tisch der Dame ein, um augenzwinkernd zu fragen, ob denn „ ... Frau Nachbarin auch zur Kur hier seien?“ Durch deren Lachen war schnell das Eis gebrochen, und der Vater klagte ihr seinen Kummer mit dem jungen Willy, der ja nun schon stark auf die 30 zuginge und noch immer keine Frau habe. „Tja“, wurde dies kommentiert, „... ob es denn da wohl noch Hoffnung gebe?“
Es gab sie nicht nur, die Hoffnung, sie machte auch bald der Realität Platz, dass Willy sich mit festen Absichten trug, die auserkorene Dame, Hilde Reinheimer war ihr Name, zunächst zum Traualtar und dann in den elterlichen Familienbetrieb zu führen.
Im Sommer des Jahres 1961 läuteten dann die Hochzeitsglocken der altehrwürdigen Dankeskirche, und als das frischvermählte Paar aus dem Hauptportal kam, stand die versammelte Equipe der Bad Nauheimer Köche mit einem Spalier aus überdimensionalen Kochlöffeln davor und lud das Brautpaar ein, hindurch in ihr gemeinsames Glück zu schreiten. Standesgemäß für ein Original aus der Altstadt fuhren sie beide in der weißen Hochzeitskutsche eines anderen Originals aus der Altstadt, dem Metzger-Walter, in einem Parcours durch die Kurstadt bis zum Burgplatz, wo man bereits die „Burg“ für die Feierlichkeit vorbereitet hatte!
Schon bald kündigte sich dann auch der erste Familienzuwachs an, der im April 1962 das Licht der Welt erblickte. Und weil der stramme Stammhalter einen Tag vor dem 70. Geburtstag des Seniors Hartmann zur Welt kam, war der zweite Vorname dadurch vorprogrammiert. Den Vornamen Frank könnte man einem amerikanischen Sänger aus „New York, New York“ zuschreiben, oder auch nicht, jedenfalls kam nun Leben in die Wirtschaft, in der der Kurze seine ersten Gehversuche erfolgreich umsetzte! Gleich im nächsten Jahr kam das Schwesterchen Renate – wieder im April – zur Welt. Nun galt es, eine Entscheidung zu treffen: war die Familie mit den gemeinsam beschlossenen drei Kindern das Ziel, oder sollte dieser Wunsch dem hohen Einsatz in der Selbständigkeit als Gastronom geopfert werden? Nein, man entschied sich für die Familie und übergab den Betrieb in familienfremde Hände, die ab Oktober 1963 die „Burg“ weiterführten, während Willy Mörler eine Anstellung als Geschäftsführer des neu eröffneten Cafés am Kurpark in der von Willy Pitzer neu errichteten Kurparkklinik am Südpark einging. Ein Jahr darauf kam im September dann mit Gerd der jüngste Spross zur Welt und die Familie Mörler hatte ihr selbstgesetztes Ziel der Fünfköpfigkeit erreicht!
Im selben Jahr wurde Willy Mörler Erster Vorsitzender des Vereins der Köche Bad Nauheims, ein Amt, dass er mit Stolz für drei Jahre bekleidete. Zu dieser Zeit richtete der Verein noch alljährlich den Bad Nauheimer Köcheball im festlich geschmückten Konzertsaal des Kurhauses aus. Bekannte und berühmte Orchester wie Hugo Strasser traten damals auf, und Mörler gelang es sogar, den Blaue-Bock-Wirt Heinz Schenk für eine Conference zu engagieren. In der Vorbesprechung in der Garderobe gestand Mörler gegenüber dem bekannten TV-Entertainer sein Lampenfieber, was dieser mit den Worten beruhigte: „Mache Se sich doch net so verrückt, Herr Mörler, die meiste Leut’ hör’n Ihne sowieso net zu!“
Eine wichtige Station in Willys Berufsleben begann 1965, als er als Chef-Patissier und stellvertretender Küchenchef im damaligen Hilberts Parkhotel in Bad Nauheim wirkte. Berühmte Persönlichkeiten jener Zeit gingen als Gäste im Parkhotel aus und ein: Neben den verschiedenen Vertretern des saudischen Königshauses auch Stars aus Film und Fernsehen wie u.a. Hildegard Knef, Marika Rökk oder Johnny Weissmueller, dem Tarzan der 30er und 40er Jahre. Viele Freundschaften mit Kollegen jener Zeit aus Küche, Service und Empfang währten bis in die heutigen Tage, darunter ortsbekannte Namen wie Reinhard Schreek (des späteren Direktors der Staatlichen Kurbetriebe und verantwortlich für Hilberts Parkhotel und Staatliches Kurhaus), die Kollegen aus dem Service, Rudi Nein, „Arri“ Haag und Günther Rottmund, der Chefportier Günther Ohse und der Empfangschef Gert Mayer oder Gerd und Hannelore Kirsch, die späteren Kronen- und Sportheim-Wirte. Sie alle stehen stellvertretend für viele Freunde, die Willy Mörlers berufliche wie auch private Unternehmungen begleiteten.
Nach einer kurzen Zeit als Küchenchef im damaligen DRK-Haus Hindenburg wurde Mörler schließlich ab 1976 Küchenchef des neu erbauten Hotel und Restaurants „Zur Stadthalle“ in Friedberg, wo er bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1991 verantwortlich zeichnete.
Danach folgten viele schöne Jahren im Ruhestand, den er am liebsten mit Gattin Hilde und seiner Schwester Inge Jores auf Reisen – unter anderem viele Leserreisen dieser Zeitung nach Madeira, nach Island oder zum Nordkap – erlebte, oder aber mit „seinem“ Köcheverein, in dem er sich noch lange Jahre engagierte. An zahlreichen Bad Nauheimer Altstadt-, Marktplatz- oder Weinfesten wirkte er in der Essensausgabe am Stand der Köche mit, stellte sich bei den legendären Grillfesten der Köche mit an den Grill oder war an allen jährlichen Ausfahrten zu St. Laurentius, dem Tag des Schutzheiligen der Köche, stets mit dabei.
Seitdem er jedoch im Juni 2013 einen Schlaganfall erlitt, hieß es leider für Willy Mörler kürzer treten. Die Beweglichkeit war aufgrund einer teilweisen Lähmung stark eingeschränkt, und der Radius beschränkte sich mit Hilfe seiner Kinder und Enkelkinder mittels Rollator oder Rollstuhl auf wenige familiäre Ausflüge. Am letzten Dienstag nun ist Willy Mörler im Kreise seiner Familie im eigenen Heim sanft entschlafen. Mit ihm ging einer der letzten Bad Nauheimer Altstädter. Am kommenden Montag findet auf dem Kernstadtfriedhof die Trauerfeier um 10:30 Uhr mit anschließender Beisetzung statt.
Willy Mörler
15.04.2016 um 16:59 Uhr von Frank